Chronik

Einblicke in die mittelalterliche Baukunst
HERBSTTIPP Der Kreuzgang der ehealigen Propstei Oberpleis erzählt von Einfallsreichtum der romanischen Steinmetze. Keiner der zehn Pfeiler gleicht dem anderen. Heinrich Blumenthal leitete die Renovierungsarbeiten

Kleinod:
Nur der Westflügel des Kreuzganges ist geblieben.Die anderen wurden 1645 abgerissen. Der Flügel umfasst fünf Joche mit je einer Drillingsarkade.

FOTO: FRANK HOMANN

Von Tim Farin

OBERPLEIS. Als „ein wahres Kleinod mittelalterlicher rheinischer Klosterbaukunst“ bezeichnet Heinrich Blumenthal, ehemaliger Denkmalpfleger beim Staatlichen Bauamt Bonn, den Kreuzgang in Oberpleis. Obwohl dieses Herzstück der ehemaligen Klosteranlage von hohem kunsthistorischen Wert ist, bleibt es eher ein Geheimtipp denn eine größere Touristenattraktion.
  Dennoch lohnt sich der Besuch im ehemaligen Benediktiner-Kloster: Während die Kreuzgänge in Vilich oder Schwarzrheindorf vollständig zerstört oder niedergerissen wurden, bietet die ehemalige Propstei Oberpleis Einblicke in die mittelalterliche Baukunst.
  Lohnenswert ist der Besuch gerade auch deswegen, weil der Kreuzgang heute wieder in einem sehr guten baulichen Zustand vorzufinden ist. Bis 1997 war der Verfall weit vorangeschritten. Der Putz war abgefallen, mancher Stein aus der Fassade gebröckelt. Risse zeigten sich in den Gewölben, das Gebäude stand schief - was sich fortzusetzen drohte. Dann begannen die zweijährigen Renovierungsarbeiten unter Blumenthals Leitung. Zunächst musste mit einer Hilfskonstruktion verhindert werden, dass der Bau weiter absank. Danach arbeiteten sich die Denkmalpfleger vorn Dach bis zur Fassade vor. Stein um Stein wurde in mühseliger Arbeit restauriert - bis zum Abschluss im Jahr 2000.
  Blumenthal ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Neben den drei Flügeln des Bonner Kreuzgangs im Münster ist der Westflügel in Oberpleis das einzige Bauwerk seiner Gattung und seiner Zeit in unserem Gebiet, dessen ursprünglicher Zustand mit fachmännischer Arbeit wieder hergestellt werden konnte.“ Nur eines möchte Blumenthal gemeinsam mit dem von ihm geführten Heimatverein Siebengebirge am Oberpleiser Kreuzgang noch erreichen: „Wir würden ihn gerne farblich attraktiver gestalten, im mittelalterlichen Stil anstreichen.“ Problematisch ist, dass es keinen Befund über die ursprüngliche Farbe des Kreuzgangs gibt. Doch man könne, sagt der Experte, typisch mittelalterliche Farbe am Kreuzgang sicher vertreten, da dies den Bau in seiner Schönheit fördern würde.
  Nur ein Flügel der ehemals vier Teile des Kreuzgangs ist geblieben. Die anderen wurden beim Bau eines neuen Gebäudes 1645 abgerissen. Der Westflügel umfasst fünf Joche mit je einer Drillingsarkade. „An den Kapitellen entfaltet sich das Einfallsreichtum romanischer Steinmetze", beschreibt Heinrich Blumenthal. Keiner der zehn Pfeiler gleiche dem anderen, teilweise seien sie gar niemals fertig gestellt worden - Zeugnis des Niedergangs des Klosters. Am Obergeschoss über dem Kreuzgang findet sich ebenfalls eine sehr differenzierte Struktur mit reicher Gliederung, Blendbögen und Vierpassfenstern. Am Ende des Dreissigjährigen Krieges wurden überdies in die harmonische Fassade auf brutale Weise sechs Fensteröffnungen eingeschlagen.
  Das Bauwerk, wie es nach seiner Renovierung vorliegt, erzählt Geschichte. Heinrich Blumenthal hatte sich dafür eingesetzt, dass die Spuren und Störungen aus den verschiedenen Jahrhunderten nicht getilgt wurden - die aufeinanderfolgenden Modernisierungen seien ebenfalls Teile der erinnernswerten Vergangenheit.
  Um 1100 gründeten Mönche des Siegburger Klosters Sankt Michael in Oberpleis eine Kirche, die dem Ritterheiligen Pankratius geweiht und etwa 1150 fertiggestellt wurde. Als Filiale wurde eine Propstei eingerichtet, die das Siegburger Stadtkloster später mit landwirtschaftlichen Gütern versorgte. Der Kreuzgang war - wie in allen mittelalterlichen Klöstern - das Zentrum der Anlage. Der religiöse Sinn des Bauwerks erübrigte sich spätestens im 15. Jahrhundert, weil dem Oberpleiser Kloster die Mönche ausgingen. Bereitszwei Jahrhunderte zuvor war die Propstei hoch verschuldet gewesen - vermutlich hatte sie sich beim Kirchenbau übernommen. Das monastische Leben verlor immer mehr an Stellenwert, so dass die Propstei später nur noch dem adeligen Propst samt Dienern als Wohnstätte diente.

DER KREUZGANG

Um 1100 gründeten Mönche vom Siegburger Michaelsberg die Propstei Oberpleis als Außenstelle mit Kirche. Von der ursprünglichen Anlage stehen bis heute Krypta, Westturm sowie Kreuzgang. Unter Propst Bertram von Ans wurde 1645 ein neues Propsteigebäude errichtet - drei der vier Kreuzgangsflügel wurden deswegen abgerissen. 1803 kam die Kirche in weltliche Hand: Der Kreuzgang fiel an das Herzogtum Berg, während die Kirchengemeinde die Kirche übernahm. Unter preußischer Herrschaft wurden Propsteigebäude und Kreuzgangsflügel zum „Ökonomiegebäude" für Kühe und Pferde. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand im Kreuzgangsflügel ein Pfarrsaal. Bei der Instandsetzung von 1997 bis 2000 erhielt das Gebäude einen Gemeindesaal und eine neue Dachkonstruktion.   fat

Rechts neben der Pfarrkirche ist der Durchgang zum Kreuzgang. Das Tor ist tagsüber zu den Öffnungszeiten des Pfarrbüros geöffnet. Nähere Informationen dazu im Pfarrbüro, Tel. 02244/22 31.

 

Quelle:
General-Anzeiger vom 23.10.2003