Chronik

15. Juli 2005

Die Hüterin des Heiligenhäuschens
GESCHICHTE
Seit 25 Jahren kümmert sich Marianne Gorzolla um die Kapelle auf dem Hinsberg. Die 72-jährige kennt amüsante Anekdoten, klagt aber auch über sinnlose Verwüstungen

Viel Herzblut steckt Marianne Gorzolla in die Pflege des Heiligenhäuschens auf dem Hinsberg, was dem schmucken Kleinod durchaus anzusehen ist.
FOTOS: FRANK HOMANN

Von Jutta Beiner-Lehner

OBERPLEIS.
„Wie gut, dass ich stets einen Besen im Kofferraum hatte", sagt Marianne Gorzolla und fegt mit Schwung die Spuren eines langen Abends zusammen: Zigarettenkippen, alte Dosen und jede Menge Asche. Ursprünglich wollte sie hier nur zum Fototermin erscheinen. Doch schon am Vorabend gegen 22 Uhr berichtete ein Anrufer von dem Gelage Jugendlicher auf den Bänken des Heiligenhäuschens am Hartenberg. „Warum können die ihre Sachen nicht wieder wegräumen", fragt sie sich, wie schon so oft. „Sehen Sie nur, wie es hier aussieht. Jetzt, während der Ferien geht es wieder richtig los."
  Nach getaner Arbeit schmückt sie noch schnell den Altar im Innern der kleinen Kapelle mit einem Gesteck aus frischen, gelben Rosen und Zweigen aus dem eigenen Garten. Seit einem Vierteljahrhundert gehört das Heiligenhäuschen zum Leben der 72-Jährigen, die sechs Kinder großzog und seit 1988 verwitwet ist. Längst ist die Familie um 13 Enkel gewachsen. Für ihre Kinder waren früher die Wiesen rundherum idealer Spielplatz. „Zu Hause hatten wir wenig Auslauf und da bin ich mit Roller, Kehrblech und Besen hochgefahren und die Kleinen waren gut beschäftigt."
  Meist kommt sie zweimal am Tag auf den Hinsberg, um den Hundenapf mit frischem Wasser zu füllen und Zettelchen für die Jugendlichen zu schreiben: „Bitte nehmt doch Euren Müll mit." Und um vor der Mutter Gottes, wie sie sagt, einen Moment der Stille zu finden und bei klarer Sicht einen Blick auf den Kölner Dom zu werfen.
  Ein Jahrhundert lang steht das Heiligenhäuschen am Höhenweg nach Hartenberg, malerisch hinter einer mächtigen Linde. Dass die Bauherren - Adolf und Katharina Meurer sowie Peter Weyler - selbst Hand angelegt haben müssen, bezeugt die aus verstärktem Walzblech hergestellte zweiflügelige Tür: Ein altes Steinkreuz, innen eingemauert, spendete in den 60er Jahren der Jagdpächter während der ersten Renovierung. Vandalismus gab es im Heiligenhäuschen schon damals. Verwüstungen führten dazu, dass eine zusätzliche Gittertür angebracht wurde. Handwerkliche Unterstützung findet Marianne Gorzolla bei Malermeister Hans Krämer. Den Teppich spendierte eine Nachbarin.

Einen Besen hat Marianne Gorzolla stets im Auto. Immer wieder muss sie an der Hartenbergkapelle den Unrat Anderer beseitigen.

   Religiöse Symbole bestimmen den Innenraum: Die helle Stirnwand soll dem Licht und der Freude des Kreuzes Ausdruck verleihen. Das Wandbild „Matiba" der Künstlerin Anke Ikelle von 1993 zeigt eine Vogelmutter mit über ihren Jungen ausgebreiteten Flügeln - Zeichen mütterlicher Fürsorge. Die Schattierung der Wände ist aufgehellt, die Rundung der Stirn- und Rückwand schattieren sieben Bögen als Symbol für die sieben Schmerzen Marias. Es wird von der Hüterin des Heiligenhäuschen, als praktizierende Katholikin, ganz besonders verehrt. Deshalb ging ihr auch die Zerstörung der Porzellanfigur der Gottesmutter vor Jahren besonders nahe: „Da lagen nur noch Scherben herum." Und auch dem Ersatz aus Pappmaché erging es nicht besser: „Die wurde dem benachbarten Bauern in den Trog geworfen." Mittlerweile schickt sie einen ihrer Enkel auch schon mal am Abend hoch, damit er nach dem Rechten sehen kann oder die Jugendlichen bittet; sich zu benehmen. „Wenn ich käme, hieß es doch eher: Was will die denn?" Dort oben könne man die tollsten Dinge erleben: "Einmal kam ich her, da saß ein Schäferhund vor dem Eingang und drinnen in der Kapelle lag ein dicker, fremder Mann und schlief tief und fest." Der war ein wenig betrunken, wie sich bei ihren Weckversuchen herausstellte. „Was immer hier passiert, ich werde auf jeden Fall weitermachen", sagt die ältere Dame mit Nachdruck. „Mancher hätte bestimmt schon das Handtuch geworfen. Aber das wäre ja noch schöner, wenn ich aufgeben würde."

Quelle. General-Anzeiger vom 15.07.2005