Chronik

13. Juni 2004

Konzert der Musikgruppe Hijos des Sol

Am 13.Juni gestaltete „Hijos del Sol“, eine argentinische Musikgruppe aus dem Bistum Anatuya, die Heilige Messe in St. Pankratius, und ein Konzert im Propst-Gerhard-Saal. (leider spielte das Wetter für ein „Open-Air-Konzert“ nicht mit). Die Musik begeisterte die vielen Gottesdienst- und Konzertbesucher.

Die Mitglieder der Gruppe Hijos del Sol sind:

Luis Perez:

Er ist der Sprecher der Gruppe und ihr erster Sänger. Seit Anfang an spielt er auch die Pauke. Er ist verheiratet, Vater von 5 Kindern und zweifacher Großvater. Er ist Angestellter der „Banco National Argentinia“ in Bandera, 70km von Anatuya entfernt.

Fernando Soria:
Er ist Musikdozent an den Schulen in Anatuya und unterichtet privat Gitarre und Tecla. Er ist Mitbegründer der Gruppe. Er spielt die meisten der Instrumente, die Blasinstrumente (die tecla, eine indianische Fölte und sampona), die Bassflöte, manchmal spielt er auch Tasteninstrumente und die Charango, eine fünfsaitige Mandoline der Indianer.

Gustavo Moya:
Er ist eine weitere tragende Stimme des Ensembles und spielt die Bassgitarre.

Omar Kique Acuna:
Er ist der Schlagzeuger der Gruppe, er schlägt die Pauke, die Trommel, Klanghölzer, die Becken und anderes Zubehör. Er ist Lehrer für Volkstanz und leitet zusammen mit seiner Schwester eine Tanzschule für Menschen jeden Alters. Er verdient etwas als Lehrer im Institut Sankt Vicente, das dem Bistum Anatuya gehört und in dem junge Menschen in verschiedenen Handwerksberufen ausgebildet werden.

Daniel Santillan:
Er ist der Sänger der Gruppe. Er ist verheiratet und hat eine neunjährige Tochter. Seit 14 Jahren unterrichtet er Recht, Politik und Soziales, sowie Design an der Schule Sagrada Familia, der bischöflichen Schule in Anatuya und an anderen Schulen in der Stadt.
Guillermine Stöck begleitet die Gruppe als Dolmetscherin.

Um einen kleinen Einblick in die Lebensumstände der Menschen im Bistum Anatuya folgt ein Auszug einer Beschreibung dieser armen Region im Norden Argentiniens am Beispiel der zum Bistum gehörenden kleinen Stadt Matará der Provinz Santiago del Estero.

Die Provinz Santiago del Estero ist eine der drei ärmsten Regionen Argentiniens. Das Bistum Anatuya ist aufgrund des Klimas, der schlechten Bodenverhältnisse, des Mangels an Trinkwasser und der schlechten Verkehrswege eines der vier ärmsten Bistümer des Landes.

Matará
Matará liegt im Nordwesten Argentiniens in der Provinz Santiago del Estero. Geografisch liegt es am Südrand des Gran Chaco („Großer Jagdgrund“). Der Chaco ist ursprünglich ein Trockenwaldgebiet, in das sich die Indianer zurückgezogen hatten. Noch 1875 verlief eine Kette der Indianerforts vom Paraná zum Salado durch die Gegend von Matará. Um 1900 hatte Maratá noch 17.000 Einwohner. Aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs setzte eine große Landflucht ein, so dass die Gemeinde heute noch ca. 2.500 Einwohner zählt, die auf einem Gebiet leben, das der Größe nach dem unteren Teil des Niederrheins von Krefeld bis Nimwegen entspricht.
80% der Menschen wohnen weit verstreut in kleinen Siedlungen oder vereinzelt in Ranchos ohne Zugang zu Trinkwasser, ohne Elektrizität, ohne ausgebautes Straßennetz, ohne Zugang zu den Kommunikationsmitteln, weitgehend ohne Ausbildung und Arbeit. Ca. 75% der Erwachsenen sind Analphabeten, nur etwa 10% haben Arbeit. Der Boden ist arsenhaltig und deshalb wenig bebaubar und unfruchtbar.

Gesundheit

Hinter den Zahlen steckt eine düstere Palette der Armut. In der Region sind ca. 80% der Menschen, vor allem Kinder, unterernährt und leiden an Stoffwechsel- und Darmerkrankungen, Unterernährung, Herz- und Kreislauferkrankungen. In den Außenbezirken gibt es so gut wie keine ärztliche Versorgung: Auf 3200 Menschen kommt ein Arzt. Es gibt keine Krankenversicherung für die Armen und Arbeitslosen. Schmerzmittel bekommen die Menschen in den Caritasstellen der Kirche, die ihre Medikamente über die Caritas des Bistums und dem kath. Medikamentenhilfswerk Deutschlands erhält.

Im staatlichen Krankenhaus in Anatuya fehlt es vor allem an Betäubungs- und Operationsmitteln, Medikamente, Verbandszeug, Lebensmittel zur Ernährung der Patienten.

Die Volkskrankheit Nr.1 ist Chacas. In den Randgebieten sind bis zu 80% der Bevölkerung am Chacas erkrankt, die Lebenserwartung nach Ansteckung beträgt maximal 25 Vinchuca-WanzeJahre. Die Vinchuca-Wanze lebt in den Dächern der Ranchos (Lehm- und Holzdächer, die meist bewachsen sind von Gräsern). Nachts lässt sie sich auf die schlafenden Menschen nieder und saugt Blut. Gleichzeitig sondert sie ein Sekret ab. Durch Reiben der juckenden Hautpartien gelangt der im Sekret erhaltende Erreger durch die Haut in die Blutbahn und befällt das Nervensystem und das Herz.

Der beste Kampf gegen Chacas ist der Bau von Häusern. Mittlerweile gibt es ein Medikament, das Chacas heilen kann, wenn es zu Beginn der Krankheit gegeben wird. Behandelt werden nur Menschen, die in festen Häusern wohnen.

Wasser

Es gibt eine Wasserleitung, die die größeren Gemeinden des Bistums mit Wasser versorgen. Dennoch gibt es Stunden- oder Tageweise kein Wasser – Wassernot herrscht in den Ranchos. Bis zu 20km müssen die Menschen ihr Wasser holen, zu Fuß, mit Pferdekarren oder Eseln. Das Wasser des Rio Salado ist für die Landwirtschaft und für die Tierzucht nur bedingt brauchbar, für Menschen ungenießbar, da es zu salz- und nitrathaltig ist. Dennoch trinken es die Menschen in ihrer Not: die Folge sind viele Magen- und Darmerkrankungen und Infektionen...

Ernährung

Bischof Basetto von Anatuya sagte einmal: „Für mich ist es ein der größten Geheimnisse, wovon die Leute leben, überleben. Ich weiß es nicht. Gott sorgt für sie.“

Aufgrund der großen Armut sind die meisten Eltern nicht in der Lage, ihre Kinder zu ernähren. Deshalb ist im ganzen Bistum eine Kinderspeisung eingeführt, die die Kinder von 3-13 Jahren umfasst. Die Kinderspeisung wird durch die Caritas des Bistums organisiert und erfolgt in den kirchlichen Räumen oder unter freiem Himmel für die nicht schulpflichtigen Kinder, für die schulpflichtigen in der Schule. Täglich erhalten 10.000 Kinder eine warme Mahlzeit.

Bildung

Da das Gebiet sehr dünn besiedelt ist, müssen die Kinder täglich bis zu 10km zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, um zum Unterricht zu kommen. Es gibt keine befestigten Straßen. In der Regenzeit sind die Wege oft nicht passierbar.

Unterricht findet an 5 Tagen der Woche statt und zwar in den Monaten März bis Dezember. Die Schulpflicht wurde vor 3 Jahren von 6 auf 9 Jahre erhöht. Für die neu eingeführten Schuljahre gibt es aber weder genügend Lehrer, die den Unterricht erteilen können, noch Lehrmittel, noch Klassenräume, noch die finanziellen Mittel für die Kinderspeisung. So ist die Mehrzahl der Kinder nicht in der Lage überhaupt einen Schulabschluss machen zu können. Das bedeutet auch: keine Lehre, kein Studium, keine Arbeit, es sei denn Gelegenheitsjobs. Keine Zukunft, keine Perspektive!

In der Schule sollen die Kinder eine warme Mahlzeit erhalten. Der Staat gibt einen Zuschuss zur Schulspeisung, der aber bei weitem nicht ausreicht. Wegen der Wirtschaftskrise in Argentinien wurde die Schulspeisung teilweise eingestellt und die Lehrergehälter gekürzt. So greift die Wirtschaftskrise tief in das Leben der Kinder und Familien. Ohne Aussicht auf die Schulspeisung „lohnt sich die Strapazen des Schulweges“ erst recht nicht. Außerdem fehlt vielen Familien eine Perspektive auf eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz. Und so beginnt der Kreislauf neu...