Chronik

28. Februar 2007

Kamerun 2007 – Besuch in Mbeng

Was hat Kamerun mit einem Erdbeerjoghurt zu tun? Bei mir ganz viel, denn an unserem Kühlschrank hängt die Landkarte von Kamerun. Bei jedem Gang zum Kühlschrank lachen mich die Namen an, mit denen ich jetzt so viel verbinde: Otélé, Foumban, Mbeng…Die grün dargestellten Flächen sind jetzt nicht mehr einfach nur grün, sondern vor meinem Auge wird die Landkarte zum Regenwald, gelbe Linien werden zu staubigen Pisten vorbei an Bananenstauden, Mangopalmen oder blühenden Weihnachtssternen…

Aber von Anfang an: 28. Februar, der Tag, an dem es nach Afrika geht.
In ein für mich vollkommen fremdes Land; Ich bin aufgeregt, gespannt und sehr dankbar für diese noch vor mir liegende Reise.
Die Gruppe, die sich zusammengefunden hat und bereit ist, Oberpleis nach Afrika zu tragen und natürlich ein Stück Kamerun wieder mitzubringen, besteht aus Wolfgang Petermann, Annegret Dahm, Herbert Landsberg, Karl Weber, Annette Zerres und Ricarda Jetzlaff. Auf den ersten Blick ein „bunter Haufen“, vielleicht wirkt er auch zusammengewürfelt, umfasst eine Altersspanne von 34 – 72 Jahren und damit eine Menge verschiedenster Lebenserfahrungen. Neugier trifft Wissen, Risikobereitschaft gesellt sich zur Vernunft, doch uns alle verbindet unser Glaube, nichts Anderes ist wirklich wichtig.

Wir sind insgesamt 13 Stunden unterwegs, als wir gegen 17.00 Uhr in Douala landen. Als wir das Flugzeug verlassen, trifft uns im wahrsten Sinne des Wortes der Schlag: Es sind gefühlte 50 Grad, in Wirklichkeit sind es nur um die 30 Grad, doch die immens hohe Luftfeuchtigkeit tut ihr Übriges. Da stehen wir nun, sechs Oberpleiser in Kamerun.
Schon im Flughafengebäude wird uns klar, dass wir unser „deutsches Denken“ ablegen müssen. Dass unsere Weltoffenheit, von der so oft gesprochen wird, zum Tragen kommen muss. Wir tun uns damit noch etwas schwer, als wir an den Gepäckbändern auf unsere Koffer warten. Es ist irre heiß, wir sind nass geschwitzt und müde, Menschenmassen warten, schieben, schwitzen sich aneinander vorbei und es dauert ewig lange, bis überhaupt irgendetwas passiert.

Wir werden erwartet von Amus, dem Bruder von Beatrice Mühlbach aus unserer Gemeinde St. Pankratius. Wir werden herzlich empfangen mit einem strahlend weißen Zahnpasta-Reklame Lächeln, einem offenen Blick und einer herzlichen Umarmung. Amus hat sich bereit erklärt, uns die folgenden 13 Tage zu begleiten und als Führer, Vermittler aber vor allem als Freund für uns da zu sein. Er hilft uns bei der Koffersuche, denn ein Gepäckband läuft nicht in einer Endlosschleife, sondern endet mitten in der Ankunftshalle und alle Koffer landen auf einem riesigen Kofferberg. Reinhold Messner hätte seine Freude daran gehabt, wir irrten etwas ratlos umher in diesem normalen Chaos und waren heilfroh, nach 2 Stunden hinter Amus endlich unseren kleinen Mini Van zu erreichen, mit dem wir uns in der kommenden Zeit bewegen werden.
Auch hier werden wir freundlich begrüßt: Pfarrer Emmanuel Bayiha und eine Delegation des Pfarrgemeinderates von Mbeng nehmen uns herzlich in Empfang. Die erste Nacht bleiben wir in Douala, um am darauf folgenden Tag das erste Mal nach Otélé zu fahren, den Ort, an dem Pater Urs normalerweise lebt und wirkt. Das Brunnenbauprojekt „l´eau, c´est la vie“ hat hier seinen Sitz und wir lernen Familie Stadelmann kennen, die zusammen mit Pater Urs das Projekt leiten, verwalten und OB_Mbeng_01durchführen. Ohne ihr Engagement und Einsatz wäre die Entwicklung und Beibehaltung dieses Projektes zum Scheitern verurteilt. Leider weilt Pater Urs zum Zeitpunkt unserer Reise immer noch in der Schweiz, wo er sich von einer Augenoperation erholt. Wir hatten die Reise schon einmal verschoben, um ihn auf jeden Fall treffen zu können, doch seine Rückkehr nach Otele hatte sich erneut verzögert. Das war für uns alle sehr schade, wie gerne hätten wir die Seele des Projektes getroffen, den Menschen, mit dem hier alles begann. Er und Familie Stadelmann sind die Menschen vor Ort, die unermüdlich und konsequent für diese Sache einstehen; und das unter nicht immer einfachen Bedingungen. Das Brunnenbauprojekt in seinem gesamten Umfang hier detailliert darzustellen, würde die Ausgabe der Pfarrfamilie sprengen, wir können jedem, der sich dafür interessiert, das Buch “1000 Brunnen“ ans Herz legen.
Wir werden intensiv durch Otélé geführt, haben uns die Fabrik ansehen dürfen, in der die Rohteile der Brunnen hergestellt und gelagert werden.
Der Tag war sehr interessant und informationsreich, wir haben uns mit Stadelmanns gut verstanden, viel erzählt und gelacht. Durch Zufall erfahren wir, dass der Trockner von Stadelmanns defekt ist, und Herbert Landsberg zögert nicht lange, krempelt die Ärmel hoch und startet seinen wahrscheinlich weit entferntesten Außendienst. Mit Erfolg!
Ein jeder bringt sich so ein, wie sein Wesen, seine Art und Fähigkeiten es zulassen und diese Gruppe ergänzt sich so wundervoll. An dieser Stelle sei noch einmal Annette Zerres gedankt, die uns mit ihren exzellenten Französischkenntnissen durchs Land gedolmetscht hat!
Da Pater Urs nicht in Otélé ist, schlafen wir etwas entfernt in der Hauptstadt Yaounde, bei einem Mitbruder von ihm. Bruder Geralt leitet das Kloster Mont Febé und dort können wir die nächsten Nächte übernachten.

Am Sonntag ist es dann soweit: Unser Besuch in Mbeng!

Wieder einmal die für uns schon zur Normalität gewordene mehrstündige Autofahrt ohne Klimaanlage über staubige Pisten, aber durch tolle afrikanische Landschaften, an Otélé vorbei nach Mbeng. Als wir in das Dorf hineinfahren, sehen wir von weitem eine Ansammlung von Menschen stehen, die weiß gekleidet sind. Ein vollkommen ungewöhnliches Bild in der staubigen Landschaft, und als wir näher kommen, erkennen wir Frauen in weißen Kleidern. Strahlend weiße Kleider. Unglaublich strahlend weiße Kleider angesichts des roten Staubes, den wir wirklich an jeder noch so versteckten Stelle unserer Kleidung und unseres Gepäcks gefunden haben.
Wir fahren langsam auf diese Gruppe zu und erkennen dann, dass sie nicht nur stehen und warten, sonder sie er-warten uns: Sie tanzen. Und klatschen. Und bevor wir überhaupt richtig angekommen sind, können wir sie auch hören: Sie singen. Laut, schön und fröhlich. Sie erwarten uns und freuen sich über OB_Mbeng_02unsere Ankunft, das war uns allen in diesem Moment sehr bewusst. Ich kann hier ja erst mal nur von mir reden, aber ich weiß, dass es den anderen genauso geht wie mir.
Da freuen sich Menschen über unsere Ankunft, man spürt, wie sehr man erwartet wird, mit sichtbaren und ehrlichem Enthusiasmus, mit Freude in Form von Singen, Klatschen und Tanzen in strahlend weißer Kleidung.
Das habe ich in der Form nicht erwartet, und ich merke, wie mir vor Freude, Unsicherheit und vor allem Verlegenheit die Tränen kommen. Aber es kommt noch besser: Die Frauengemeinschaft in weiß bildet einen Gang, sie steht Spalier und lässt uns den Weg zur Kirche hin durch ihre Mitte gehen. Noch immer wird laut gesungen und geklatscht und auf unserem Weg werden wir heftig umarmt und begrüßt: So muss man sich fühlen, wenn man gefeiert wird.

Die Frauen ziehen hinter uns her zum Pfarrhaus, wo wir offiziell begrüßt werden und kurz zur Ruhe kommen können, bevor es zur Kirche geht. Wir trinken ein wenig und als wir uns umsehen, ist Oberpleis zum Greifen nah: an der Wand hängt eine Photografie von St. Pankratius Oberpleis.
Als wir in die Kirche einziehen, ist diese –wie wir Rheinländer sagen- rappelvoll. Ein großer Teil der Frauen in weiß gehört zum Kirchenchor neben weiteren in weiß gekleideten Kindern, die mit Papier-Wuscheln an den Händen die Lieder optisch und tänzerisch untermalen. Die Trommeln und Xylophone begleiten uns zu unseren Plätzen auf der Altarebene.
Unzählige freundliche Augenpaare schauen uns an. In den ersten zehn Reihen sitzen Kinder, manche staunen, andere sind verlegen, man darf nicht vergessen, wie selten sie weiße Menschen zu Gast haben.
Die Messfeier, die nun folgt –und die Betonung liegt auf „Feier“- wird gut drei Stunden dauern und von Abbé Bayiha und einem extra für uns abgesandten Monsignore gehalten.
Es wird viel gesungen, der Chor ist wirklich beeindruckend und vieles wird durch Tanzen unterstrichen und bestärkt. In diesem Moment ist mir bewusst, wie „steif“ und träge wir „Weißen“ doch sind. Wir werden immer wieder zum Mittanzen animiert, aber wir haben es halt nicht im Blut und kennen es in OB_Mbeng_03dieser Form einfach nicht.
Während der Messfeier, die natürlich in französischer Sprache gehalten wird, herrscht Ruhe, und – wir würden es wahrscheinlich Disziplin nennen.
Nur hier in Afrika ist dieses Wort total unpassend. Man kennt es hier nicht anders, dass alles etwas länger dauert und man wartet geduldig und in Ruhe, nichts läuft einem davon. Es gibt ein Sprichwort, das heißt: “Der liebe Gott hat den Deutschen die Uhr geschenkt. Und den Afrikanern die Zeit.“ Wie wahr!
Am Ende der Messfeier bekommen wir vom PGR aus Mbeng Geschenke überreicht und da wird eine strenge Reihenfolge eingehalten: Als erster darf der Älteste der Gruppe, für die Afrikaner ist das auch der Weiseste (nicht zu verwechseln mit Weißester), nach vorne treten und ein Geschenk in Empfang nehmen: Karl Weber erhält einen selbst geschnitzten Regentenstab. Als weiseste Frau nahm Annegret Dahm eine ebenfalls selbst geschnitzte Frauenfigur entgegen, desweitern erhalten wir kleine Holzbrunnen des Projektes und für die Gemeinde eine riesige Skulptur eines Vogels.
Auch wir überreichen an dieser Stelle einen Teil unserer Geschenke:
Die Reisepatene von Pastor Willi Müller, über die sich alle sehr freuen und das Geschenk mit Jubel und Klatschen in Empfang nehmen. Es folgt noch eine offizielle Ansprache von Emmanuel Mbila, dem Vorsitzenden des PGR von Mbeng, in der die Partnerschaft zwischen Mbeng und Oberpleis noch einmal chronologisch dargestellt und Möglichkeiten für die zukünftige Zusammenarbeit aufgeführt wird.
Nach der Messe hat man für uns im Pfarrhaus Essen und Trinken bereitet und nach dieser gut tuenden Stärkung machen wir uns auf zum „Dorfplatz“ vor den Schulgebäuden, wo uns viele Menschen erwarten.
Wir werden von zwei ca. fünfjährigen Kindern mit einem Begrüßungsspruch offiziell an der Schule willkommen geheißen und erhalten wunderschönen Blumenschmuck. Die gesamte Schülerschaft steht in Reih und Glied in der Mittagshitze und singt uns mehrere Willkommenslieder.
Wir fühlen uns sehr geehrt und sind berührt über diesen Empfang. Uns geht durch den Kopf, wie es wohl bei einem ähnlichen Anlass in Oberpleis aussehen würde: Wären alle Schüler und Gemeindemitglieder an ihrem freien Sonntag bereit, sechs Menschen aus Kamerun so herzlich zu empfangen… Vielleicht.
OB_Mbeng_04Die älteren Schüler warten auf uns mit afrikanischen Tänzen, die lediglich zum rhythmischen Schlagen auf einem hohlen Baumstamm getanzt wer-den. In der Mitte eines großen Kreises tanzt jeweils ein Kind zum Rhyth-mus der Trommel; auch wir werden aufgefordert und animiert, mitzumachen. Da sind wir natürlich dabei. Vielleicht wirken wir etwas steif und ungelenk, doch der Funke ist übergesprungen und alle haben einen Riesenspaß, vor allem die Kinder!
Im Anschluss daran werden wir durch die Schule geführt, vier einzelne kleine Gebäude, eins davon ist die von Oberpleis finanzierte Vorschule. Einfache, eingeschossige Räume, in denen außer Tischen, Stühlen und einer Tafel nichts anderes ist. In jeder der acht Klassen wird ein Erinnerungsphoto gemacht, die Lehrer stehen stolz dabei.

 Wie bereits erwähnt, es ist Sonntag, für alle ist dies ein zusätzlicher Tag in der Schule, der für fast alle mit mehreren Stunden Fußmarsch hin und wieder zurück verbunden ist. Alle tragen „gute“ Kleidung, einige Kinder haben sogar ihr Kommunionkleid an.
Für die Schülerschaft und die Kinder allgemein haben wir in einem zusätzlichen Koffer eine Menge OB_Mbeng_05Geschenke mitgebracht: Hefte, Stifte, Bälle, Schlüsselbänder, Stofftiere und jede Menge Spielzeug. Alles, was das afrikanische Kinderherz höher schlagen lässt und für uns hier teilweise schon eine Selbstverständlichkeit im Kinderzimmer geworden ist. An dieser Stelle sei noch einmal allen gedankt, die uns durch Sach- und/oder Geldspenden unterstützt haben. Uns allen lagen die Kindergeschenke sehr am Herzen, und neben den Reisekosten, die wir alle ausschließlich aus eigener Tasche finanziert haben, haben wir den ein oder anderen Euro im Vorfeld in Geschenke investiert oder haben vor Ort, wo es sinnvoll erschien, Bargeld als Hilfe und Spende gegeben.
Die Kinderaugen und –gesichter haben es uns vielfach zurückgegeben.
Wie die Könige werden wir vor der Schule auf sechs Stühlen positioniert und dürfen im Schatten sitzend noch die Vorführungen der zwei- bis vier-jährigen Schüler bewundern, die uns ihre Kreisspiele und Lieder darbringen. Es ist ein schönes Gefühl, willkommen zu sein und zu merken, wie viel Mühe sie sich bei den Vorbereitungen gemacht haben. Mit unserer Geschenkübergabe an die Schule und Kinder endet unser offizieller Besuch der Schule in Mbeng und noch einmal gibt es eine Erfrischung im Pfarrhaus, wir waren alle mittlerweile ziemlich erschöpft.
Bevor wir uns noch zum gemeinsamen Gruppenphoto zusammenfinden, gibt es noch eine Überraschung der Frauengemeinschaft aus Mbeng. Wieder kommen die Frauen in Weiß tanzend und singend ins Pfarrhaus und bringen uns ihre Geschenke für die Frauengemeinschaft in Oberpleis dar. Diese Frauen in Mbeng besitzen nun wirklich nicht viel und doch ha-ben sie das gegeben, was sie entbehren können: zwei Bananenstauden, viele Ananas, ein riesiger in Bananenblätter eingewickelter Kuchen, Mani-ok und zwei selbst geflochtene Körbe. Auch Annegret Dahm als Vertreterin der kfd Oberpleis hat in Form von einer Spende die besten Wünsche von der Frauengemeinschaft in Oberpleis und Gottes Segen übermittelt.

Ein schöner Besuch in unserer Partnergemeinde in Mbeng neigt sich dem Ende zu und wir sind traurig, diese Gemeinschaft jetzt verlassen zu müssen. Wir werden herzlich verabschiedet und auf dem Rückweg durch den Busch überholen wir noch die ein oder anderen Kinder, die immer noch zu Fuß auf dem Heimweg sind. Sie winken und rufen uns zu, und wir sind uns sicher, dass wir jetzt nicht mehr nur die sechs „Weißen“ im kleinen Bus sind, sondern irgendwie sind wir ein Teil ihres Tages geworden, wir haben mit ihnen die Hl. Messe gefeiert, haben mit ihnen getanzt und geklatscht und durften Gast an ihrer Schule sein.
Als wir am Abend zusammensitzen und den Tag Revue passieren lassen, sind wir uns einig, dass dieses nicht unser letzter Besuch in Mbeng gewesen ist. Zu viele Eindrücke haben uns nicht nur übermannt und geprägt, viel zu sehr fühlt man sich jetzt diesem Ort verbunden, da man mit eige-nen Füßen dort war, mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört hat. Und ein Teil von uns ist OB_Mbeng_06immer noch dort.

So ging es uns nicht nur in Mbeng, sondern an einigen Orten in Kamerun, an denen wir herzlich empfangen und aufgenommen wurden. Besonders in Erinnerung ist uns noch das Kloster in Babeté, in dem wir nicht nur zu Gast waren, sondern uns wie zu Hause gefühlt haben. Aber über den Rest der Reise, unsere Begegnungen in Kamerun und was uns sonst noch so widerfahren ist, könnte es eine Fortsetzung in der nächsten Pfarrfamilie geben.
Zurückblickend kann ich nur sagen, dass für mich diese Reise nach Ka-merun eine “Reise fürs Leben“ war, wenn man davon sprechen kann. Mal abgesehen davon, dass wir eine tolle Reisegruppe waren, die sich mitt-lerweile samt der Familien zu Freunden entwickelt hat, werde ich die Ein-drücke, Gedanken und Gefühle während dieser Reise so schnell nicht wieder vergessen. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, dankbar für alle Menschen, denen ich begegnen und die ich kennen lernen durfte. Dankbar für Gottes Segen, der uns in alle Welt begleitet und in Kamerun jederzeit spürbar war.
Ricarda Jetzlaff