Chronik

22. Dezember 2008

"Das geistliche Leben des Priesters leidet"
Vor vier Jahren war Dechant Udo Maria Schiffers noch für 1 900 Katholiken in Ittenbach zuständig, heute für rund 15 000


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Einmal im Jahr trifft Udo Maria Schiffers als ehemaliger Schüler Joseph Ratzingers den Papst persönlich.       Repro: Holger Handt

Königswinter.
Bis vor vier Jahren war Udo Maria Schiffers nur für 1 900 Katholiken in Ittenbach zuständig, heute hat der 64-Jährige als leitender Pfarrer in der Königswinterer Bergregion 15 000 Schäfchen. Mit Schiffers sprach Hansjürgen Melzer.

General-Anzeiger: Nach dem Weggang von Pfarrer Baumhof und der Zuteilung von Eudenbach zum Pfarrverband Am Oelberg sind Sie seit diesem Jahr für den gesamten Seelsorgebereich verantwortlich. Wie kommen Sie mit den neuen Aufgaben zurecht?

Udo Maria Schiffers: Ich freue mich sehr, dass aus Eudenbach viele Signale kommen, dass sich die Menschen aus dem aufgelösten Pfarrverband sehr gut integriert fühlen. Ich bemühe mich auch sehr, dort oft präsent zu sein. Das gilt auch für die weltlichen Veranstaltungen zum Beispiel der Feuerwehr oder des Männerchors. Ich höre, dass die Menschen dort sehr zufrieden sind.

GA: Gibt es auch negative Reaktionen?

Schiffers: Wer am meisten leidet, sind natürlich die Ittenbacher. Sie haben sonntags keine Gemeindemesse mehr, seit ich um 9.30 Uhr die Messe in Eudenbach feiere. Selbst Leute, die nicht regelmäßig zu den Gottesdiensten kommen, vermissen das sonntägliche Glockengeläut. Manche Mitglieder meiner treuen Kerngemeinde weichen in andere Gemeinden aus, um an einer Sonntagsmesse teilnehmen zu können.

GA: Müssen die Ittenbacher auch an Heiligabend auf eine Messe verzichten?

Schiffers: Nein. Wir können am Abend vier Christmetten zur gleichen Zeit feiern, allerdings nur, weil uns zwei pensionierte Mitbrüder aushelfen. Sonst gäbe es um 17.30 Uhr nur zwei Metten.

GA: Wenn ein Pfarrer, der vor wenigen Jahren noch für 1 900 Menschen zuständig war, sich jetzt um 15000 Katholiken und um die Aufgaben eines Dechanten kümmern muss, bleibt da noch Zeit für die Seelsorge?

Schiffers: Man lernt viele Leute kennen. Wenn man aber in einem Ort nicht wohnt, ist man dort immer nur zu Besuch. Ich vermisse die Nähe zu den Menschen und den Menschen wird das ebenso gehen. Dazu kommt die Inanspruchnahme durch viele Zeit raubende Termine. Bis ich den Wunsch nach einem Gespräch erfüllen kann, dauert es oft eine ganze Zeit. Viele Menschen sind darüber sicher frustriert.

GA: Hat sich das Berufsbild des Pfarrers nicht radikal verändert?

Schiffers: Doch. Das geistig-geistliche Leben des Priesters leidet unter den neuen Anforderungen. Es ist aber die Voraussetzung für eine wirksame Verkündigung und Seelsorge. Wir Pfarrer müssen sehen, dass wir uns nicht selbst die Quelle unserer seelsorgerischen Tätigkeit verschütten.

Es gibt inzwischen einen berufsbegleitenden Lehrgang "Führen und Leiten", der für Pfarrer in leitenden Positionen verpflichtend ist. Ich habe durchgesetzt, dass ich daran erst ab 2010 teilnehmen muss. Es kann nicht sein, dass leitende Pfarrer nur noch Manager sind und die priesterliche Identität verloren geht, weil sie nicht mehr gelebt werden kann. Ich werde mich dagegen zur Wehr setzen.

GA: Sie haben sich selbst beim Papst, dessen Schüler Sie einst waren, für eine Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt ausgesprochen, um der schrumpfenden Zahl von Priestern entgegenzuwirken. Machen Sie sich da Hoffnungen?

Schiffers: Wahrscheinlich muss erst die Gesamtsituation noch schlimmer werden, bis die deutschen Bischöfe in ihrer Gesamtheit bereit sind, solche Ideen zu favorisieren.

GA: Wie reagieren die Menschen, die sich in der Kirche engagieren, auf die veränderten Strukturen im Bergbereich?

Schiffers: Es gibt eine große Bereitschaft, sich der Situation zu stellen. Es gibt aber auch bedrückte Stimmung in den Gemeinden, weil niemand weiß, ob die Zahl der Priester noch geringer wird und die Bereiche, um die der einzelne Pfarrer sich kümmern muss, noch größer werden.

GA: Welche Folgen hat das für die Arbeit?

Schiffers: Die Kirchenvorstände arbeiten bereits jetzt sehr selbstständig. Der geschäftsführende Vorsitzende leitet schon Sitzungen, ohne dass ein Pfarrer dabei ist. Es gibt in unserem Pfarrverband auch eine sehr gute Vernetzung der Pfarrbüros. Die Pfarrsekretärinnen arbeiten sehr gut zusammen. Wir sind da gut aufgestellt. Die Firmvorbereitung findet bereits auf Pfarrverbandsebene statt, während wir die Vorbereitung auf die Erstkommunion weiter dezentral organisieren wollen.

GA: Wie sieht die Arbeitsteilung unter den hauptberuflichen Seelsorgern aus?

Schiffers: Pfarrvikar Ferdi Vater kümmert sich schwerpunktmäßig um Oberpleis und Stieldorf, Diakon Udo Casel um Heisterbacherrott und Thomasberg, ich um Ittenbach und Eudenbach und natürlich um die Gottesdienste in Heisterbacherrott und Thomasberg, was der Diakon alleine nicht kann.

Außerdem lege ich Wert darauf, wenigstens einmal im Monat in jeder Pfarrkirche einen Gottesdienst zu halten. Wir haben zudem das Glück, zwei Gemeindereferentinnen und eine Gemeindeassistentin zu haben, die als Laienseelsorgerinnen voll verantwortlich bestimmte Bereiche der Pastoral übernommen haben.

GA: Die Gemeinden haben sich gegen eine Fusion und für eine Pfarreiengemeinschaft ausgesprochen. Hat das Generalvikariat bereits grünes Licht gegeben?

Schiffers: Ja, unser Mehrheitsvotum ist von Köln akzeptiert worden. Die Pfarreiengemeinschaft wird zum 1. Januar 2010 eingerichtet. Im November 2009 wird erstmals ein gemeinsamer Pfarrgemeinderat (PGR) gewählt. Die vier derzeitigen PGR geben sich große Mühe, einen guten Übergang vorzubereiten. Die Kirchenvorstände bleiben zwar erhalten, geben aber fast das gesamte operative Geschäft an den Kirchengemeindeverband ab. Sie sind dann nur noch für die Verwaltung der Gebäude und des Ortskirchenvermögens zuständig.

GA: Können Sie unter diesen Umständen noch ruhig schlafen?

Schiffers: Ja, vielleicht weil ich mit einer gewissen Gelassenheit an diese Sachen herangehe. Ich kann die Situation allerdings nur im Horizont der Hoffnung darauf ertragen, dass sich in Zukunft etwas ändert, zum Beispiel weil der Beruf des Priesters auch anderen Kreisen zugänglich gemacht wird.

Diese Hoffnung gibt mir die Bereitschaft, meinen Dienst wahrzunehmen. Ich werde im März 65 Jahre alt und könnte mich auch ohne Begründung mit 70 Jahren in die Pension verabschieden. Ich möchte jedoch gerne noch Dienst tun, bis ich 75 werde, wenn Gott mir die Gesundheit dazu schenkt.

    Zur Person:

    Udo Maria Schiffers ist Leiter des Pfarrverbandes "Königswinter - Am Oelberg" mit den Gemeinden Oberpleis, Stieldorf, Ittenbach, Heisterbacherrott/Thomasberg und Eudenbach. Seit dem 1. April ist er Dechant für Königswinter und Bad Honnef.

    Der 64-Jährige Geistliche wurde in Bad Honnef geboren und besuchte das Siebengebirgsgymnasium. Nach dem Studium der katholischen Theologie und Philosophie in Bonn und in Köln erhielt er 1970 die Priesterweihe.

    In seiner Zeit als Kaplan in Köln und Subsidiar am Bonner Münster studierte er dann bei Joseph Alois Ratzinger in Regensburg. Einmal jährlich ist er mit dem ehemaligen Schülerkreis des Papstes Gast von Benedikt XVI. in Rom.

Quelle: General-Anzeiger online vom 22.12.2008