Chronik

Heisterbacherrotter Pfarrheim steht zum Verkauf
KIRCHE
Eine Unterschriftenaktion soll zu einer Informationsveranstaltung verhelfen. Gespräche mit den Vereinen haben bisher zu keiner Lösung geführt. “Die Senioren werden nicht nach Thomasberg gehen”

Eine neue Bleibe müssen sich möglicherweise bald die St. Georgs Pfadfinder suchen.
FOTOS: FRANK HOMANN

Von
Hansjürgen Melzer

HEISTERBACHERROTT. Die Heisterbacherrotter bangen um ihr Pfarrheim. Mit einer Unterschriftenaktion fordert die katholische Frauengemeinschaft (kfd) eine öffentliche Pfarrversammlung, bei der sie darüber informiert werden möchte, in welchen Bereichen die Sparmaßnahmen des Erzbistums Köln umgesetzt werden sollen. Vor allem verlangen die Frauen eine klare Aussage über die Zukunft des Pfarrheims Heisterbachenrott.

Die kfd hat über 300 Unterschriften bei den betroffenen Gruppen, die das Pfarrheim nutzen, gesammelt und an Pfarrverbandsleiter Udo Maria Schiffers übergeben. „Das Thema soll nicht im Schweigen versinken. Die Anliegen sind angekommen. Es wird daran gearbeitet", sagte der Pastor und Vorsitzende des Kirchenvorstands von Sankt Judas Thaddäus und Sankt Joseph am Sonntag in der Messe. Es werde die geforderte Pfarrversammlung geben, die allerdings vom Pfarrgemeinderat einberufen werden müsse.

Der Belegungsplan des Pfarrsaals - allein durch die kirchlichen Gruppen - liest sich eindrucksvoll: Montags proben hier der ökumenische Kinderchor und der Kirchenchor Cäcilia. Dienstags finden dort Eltern-Kind-Kurse statt. Außerdem treffen sich die „Wilden Löwen" (Erst- und Zweitklässler) und die „Schatz-Box", ein katechetischer Nachmittag für Sechs- bis Zehnjährige. Auch die Senioren und die St. Georgs Pfadfinder nutzen an diesem Tag den Pfarrsaal. Mittwochs bis freitags proben im Pfarrheim vor allem das Blasorchester der Bergklänge und die Showtanzgruppe der Siebengebirgsperlen. Die kfd ist davon überzeugt, dass es zu einer Ausblutung der kirchlichen Gruppen kommen wird, wenn das Pfarrheim geschlossen oder verkauft werden sollte. Über die Zukunft des Gebäudes hätten sie bisher nur aus der Gerüchteküche etwas erfahren. In der Tat ist der Kirchenvorstand wohl gezwungen, das Pfarrheim zu verkaufen. Da bis zum Jahr 2009 nur noch insgesamt 760 Quadratmeter statt bisher 1 500 Quadratmeter Versammlungsflächen im gesamten Pfarrverband Königswinter / Am Oelberg vom Erzbistum bezuschusst werden, ist klar, dass Köln nur noch eines von zwei Pfarrheimen in der Pfarrgemeinde Sankt Judas Thaddäus und Sankt Joseph finanzieren wird. Statt bisher 537 Quadratmeter werden künftig nur noch rund 200 Quadratmeter, was genau der Fläche des Thomasberger Pfarrheims entspricht, bezuschusst. Dabei wird das Geld aus Köln bereits seit dem vergangenen Jahr in mehreren Schritten reduziert.

Das Heisterbacherrotter Pfarrheim ist zu groß, um gehalten werden zu können. „Wir suchen nach wie vor nach Lösungen, von denen der Verkauf nur eine ist. Bisher haben sich aber alle anderen als nicht tragfähig erwiesen", sagt Norbert Seeger, der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands. Der Versuch, unter den Vereinen des Ortes solvente Mieter für ein „Bürgerhaus" zu finden, hat bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. „Wir wollen für Heisterbacherrott natürlich Versammlungsmöglichkeiten erhalten", versichert Seeger. Abgesegnet werden müsste ein möglicher Verkauf der Immobilie und die Überlassung des Grundstücks in Erbpacht allerdings noch vom Erzbistum.

Ursprünglich hatte der Pfarrverband versucht, die Mittel aus Köln nach einem bestimmten.Schlüssel auf die fünf Pfarrheime in Stieldorf, Oberpleis, Ittenbach, Heisterbacherrott und Thomasberg zu verteilen. Dabei sollte vor allem die Katholikenzahl in den einzelnen Orten zugrunde gelegt werden. „Das wäre die gerechteste Lösung gewesen; die die Kölner jedoch abgelehnt haben. Sie wollen ganze Dächer abbauen beziehungsweise erhalten", sagt Schiffers. Für die Gemeindemitglieder aus Heisterbacherrott kann das bedeuten, dass sie sich demnächst häufiger im Thomasberger Pfarrheim treffen müssen. Dem steht die kfd-Vorsitzende Hiltrud Görres allerdings skeptisch gegenüber. „Vieles, was in Heisterbacherrott gut läuft, wird sich in Thomasberg nicht fortführen lassen. Die Senioren werden dort nicht hingehen, weil viele von ihnen gehbehindert sind. Außerdem i

An der Oelbergstraße liegt das katholische Pfarrheim in Heisterbacherrott

st der Saal dort nicht so groß", gibt sie zu bedenken.

Auch wenn alles auf den Verkauf des Gebäudes in Heisterbacherrott hinauszulaufen scheint, begrüßt Norbert Seeger die Aktion der katholischen Frauen: „Ich bin froh über dieses Engagement. Es zeigt, dass es den Menschen in unserer Gemeinde nicht egal ist, was passiert."

KOMMENTAR

Kein Recht auf Vereinsleben

Jetzt sind die Folgen der drastischen Kürzungen des Erzbistums, mit denen die Kölner ihre jährlichen Ausgaben um 90 Millionen Euro reduzieren wollen, auch im Bergbereich von Königswinter angekommen. Allein die Hälfte, rund 45 Millionen, soll schließlich in den Gemeinden und Seelsorgebereichen vor Ort eingespart werden.
Bei den Versammlungsflächen, zu denen vor allem die Pfarrheime gehören, werden die Auswirkungen am deutlichsten. Während bei den Kindergärten die Kommunen wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz überall dort, wo sich die Kirche aus der Finanzierung zurückzieht und Bedarf vorhanden ist, in der Pflicht stehen, ist eine solche „Feuerwehr" bei den Pfarrheimen weit und breit nicht in Sicht. Auf Vereinsleben und kirchliche Angebote, so sehr sie auch das soziale Leben bereichern, gibt es hingegen keine verbrieften Rechte.
Das Beispiel Heisterbacherrott zeigt, wie wichtig die Kirche - das gilt für die evangelische nicht minder - für ein Gemeinwesen ist. So hat das Erzbistum Köln bisher nicht nur die kirchlichen Angebote> sondern zu einem Gutteil auch das Vereinsleben im Ort mitfinanziert. Jetzt, wo der Wirt pleite ist, sehen sich die betroffenen Vereine finanziell nicht in der Lage, das Modell eines Bürger- oder Vereinshauses mitzutragen.
Da ist es nur konsequent, dass die Kirche im Falle eines Verkaufs erst einmal für ihre eigenen Gruppen Versammlungsmöglichkeiten zu erhalten versucht. Die Vereine werden hingegen von vielen lieb gewonnenen Gewohnheiten Abschied nehmen müssen. Es sei denn, die Stadt zaubert Räume in öffentlichen Gebäuden aus dem Ärmel.

Hansjürgen Melzer

Quelle: General-Anzeiger vom 24.01.2006