Chronik

31. Mai 2006

Prozession findet ohne die Protestanten statt
KIRCHEN
Erzbischof untersagt eine aktive Beteiligung an Verkündigung und Gebet. Emmausgemeinde lehnt den Kompromissvorschlag der Katholiken ab. Auch der ökumenische Gottesdienst am Pfingstmontag fällt aus

Unter sich bleiben die Katholiken künftig bei der Prozession in Heisterbacherrott. Das Foto entstand allerdings bei der Wallfahrtsoktav im Oktober.
FOTO: FRANK HOMANN

Von
Hansjürgen Melzer

HEISTERBACHERROTT.
Auch in diesem Jahr werden die evangelischen Christen nicht an der Fronleichnamsprozession durch Thomasberg und Heisterbacherrott teilnehmen. Einen Kompromissvorschlag der katholischen Pfarrgemeinden St. Joseph und St. Judas Thaddäus mit ihrem Pfarrer Udo Maria Schiffers haben die evangelische Emmausgemeinde und ihr Pfarrer Burkhard Leh abgelehnt (siehe Interview).
Die Einladung der Protestanten zur Prozession durch den früheren Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinden St: Joseph und St. Judas Thaddäus, Paul Woelki, hatte seinerzeit zu einer scharfen Rüge durch Erzbischof Joachim Kardinal Meisner geführt. Meisner hatte deutlich gemacht, dass ein Mitziehen des evangelischen Pfarrers in Amtstracht und eine aktive Beteiligung an Verkündigung und Gebet für die katholische Kirche nicht in Frage kämen.
Daraufhin hatten die Katholiken im Siebengebirge vor einem Jahr ganz auf die Prozession verzichtet. In einer Denkpause wollten sie einen Ausweg aus dem Dilemma suchen. Aber auch eine Eingabe des Pfarrgemeinderates, der besonders großes Interesse an einer Fortsetzung der ökumenischen Tradition im Ort zeigte, blieb in Köln ohne Erfolg. „Die Fronleichnamsprozession ist kein ökumenischer Gottesdienst, und die aktive Beteiligung von Christen anderer Konfessionen an einem katholischen Gottesdienst ist noch nicht erlaubt", legte Schiffers in seiner Erklärung jetzt die Sichtweise seiner Kirche dar.
Der Verzicht auf die Prozession im vergangenen Jahr habe ihm als verantwortlichen Pfarrer „eine massive Rüge" des Erzbischofs eingebracht. Schiffers machte dabei nie einen Hehl daraus, dass er selber der Ökumene kritischer als sein Vorgänger gegenübersteht. Dennoch habe er den Kompromiss mitgetragen, den Pfarrgemeinderat, Liturgie- und Ökumeneausschuss mit großem inneren Engagement gesucht hätten.
„Dieser konnte einerseits den Vorgaben des Erzbischofs und meinen eigenen Bedenken entsprechen, andererseits aber doch die in- , zwischen gewachsene Tradition am Ort nicht völlig abbrechen", so Schiffers.
Die Katholiken schlugen der Emmausgemeinde vor, den dritten Segensaltar vor der evangelischen Kirche aufzubauen, dort ein Grußwort des evangelischen Pfarrers zu hören, um die Einheit der Christen zu beten und dann zum getrennten Gottesdienst in die jeweilige Kirche zu gehen. Dieser Vorschlag wurde auf einer Sitzung des ÖkumeneAusschusses Pfarrer Leh und dem Presbyterium unterbreitet.
Gleichzeitig bot die katholische Gemeinde ihren evangelischen Mitchristen an, den ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag auf den Abend zu verlegen, weil die Richtlinien nicht gestatten würden, an Sonn- und Feiertagen eine Eucharistiefeier durch einen ökumenischen Gottesdienst zu ersetzen. Nach eingehenden Beratungen im Bezirksausschuss, dem die Presbyter und andere Gemeindemitglieder angehören, hat die Emmausgemeinde diese Vorschläge jedoch abgelehnt.
„Für den weiteren Umgang, mit dem sensiblen Thema ist wichtig, dass wir auf keinen Fall beginnen, nun irgendeinen Schwarzen Peter hin- und herzuschieben", stellt Schiffers fest. Man respektiere die Entscheidung des Presbyteriums und die Loyalität von Pfarrer Leh mit seinem Gremium. „Wir selber stehen als katholische Christen ebenso loyal zur Ordnung unserer Kirche und zu den verbindlichen Weisungen unseres Erzbischofs, auch und gerade dann> wenn wir diese Weisungen nicht oder nicht ganz nachvollziehen können", sagte Schiffers. Er verweist auf die unterschiedlichen kirchlichen Strukturen, auf evangelischer Seite eher eine Orientierung an die Einzelgemeinde; auf katholischer Seite eine Orientierung im gesamtkirchlichen Kontext.
Schiffers appelliert an die Gläubigen beider Gemeinden: „Ökumene fängt immer damit an, dass alle die unterschiedlichen Positionen der anderen Seite im Geist des Friedens respektieren. Das Allerwichtigste im Moment ist aber, dass wir über den Unterschieden, die wir neu in den Blick nehmen müssen, die vielen Gemeinsamkeiten nicht vergessen und uns davor hüten, die Ökumene am Ort von zwei Einzelproblemen, abhängig zu machen."

NACHGEFRAGT

Burkhard Leh
FOTO: GROOTE

Burkhard Leh ist seit dem Jahr 1986 Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Stieldorf-Heisterbacherrott. Zusammen mit seinem vor eineinhalb Jahren aus dem Dienst ausgeschiedenen katholischen Kollegen Paul Woelki entwickelte er eine rege ökumenische Zusammenarbeit zwischen der Emmausgemeinde und den Gemeinden St. Joseph und St. Judas Thaddäus.

GA: Warum haben Sie den Kompromissvorschlag der Katholiken abgelehnt?
BURKHARD LEH: Wir haben darüber im Bezirksausschuss lange diskutiert. Früher waren wir als Gast zur Fronleichnamsprozession eingeladen und haben diese mitgestaltet, obwohl sie immer eine urkatholische Veranstaltung war. Da haben wir uns jetzt gefragt, was wir als Grußwort sagen sollen, wenn gleichzeitig eine offizielle Beteiligung nicht denkbar ist. Am Ende waren wir uns auch einig, dass wir emotional einfach erschöpft sind.

GA: Das Angebot hat doch aber gezeigt, dass auf katholischer Seite ein Bemühen vorhanden ist, die ökumenische Tradition fortzusetzen ...
LEH: Es ist uns klar, dass einige darüber sehr traurig sind, aber wir möchten auch in der Sache wahrhaftig bleiben. Früher waren wir offizielle Gäste. Ich konnte eine Ansprache halten. Wir haben auch unsere Bibel mitgebracht, nicht um die Hostie zu verdrängen. Wir waren in den Gesamtvollzug sehr involviert. Es war eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Das ist heute deutlich anders.

GA: Pfarrer Schiffers begründet seine differenzierte Haltung zur Ökumene mit dem Argument, er sei gegen eine Verwässerung des Glaubens auf beiden Seiten. Stattdessen würde er es begrüßen, wenn sich beide Kirchen stärker auf ihre Wurzeln besinnen. Sehen Sie das anders?
LEH: Mein Eindruck der Ökumene im Ort war, dass wir nicht auf dem Weg zum Einheitsbrei waren, sondern auf diesem Wege die eigene Glaubensidentität stärker wahrnehmen und aneinander lernen können. Wir haben uns als Schwestern und Brüder im christlichen Glauben gesehen und sind sozusagen auf einen Entdeckungspfad gegangen. Ich denke, das hat uns gut getan. Bei allem Respekt vor den unterschiedlichen Traditionen. Wir glauben aber doch beide an den auferstandenen Jesus, und dass der Auferstandene in der Eucharistie unter uns ist.

GA: Ist das das Ende der Ökumene in Thomasberg und Heisterbacherrott?
LEH: Nein: Unser Wunsch ist, dass wir das, was denkbar und möglich ist, weiter pflegen. Aber wir brauchen eine neue emotionale Basis, neue Erfahrungsräume und die Entdeckung, dass uns aneinander liegt. Es ist schmerzhaft; was passiert ist, aber deshalb wollen wir nicht alles in Frage stellen.

Quelle: General-Anzeiger vom 31. Mai 2006