Chronik

22. bis 28. Oktober 2007

“Du hilfst mir, mein Leben zu leben”
KIRCHE
Die Wallfahrtsoktav führt täglich hunderte von Pilgern nach Heisterbacherrott. 1200 Medaillons als Erinnerungsgabe, Viele kommen seit Jugendtagen zu ihrem Fürsprecher Judas Thaddäus

Von Uta Effern-Salhoub

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Lichtermeer: Vor dem Bildnis des Heiligen Judas Thaddäus haben Gläubige Kerzen entzündet.
FOTOS: HOLGER HANDT

HEISTERBACHERROTT.
„Heiliger Judas Thaddäus, hilf meinem Enkelkind in der Schule. Halte uns alle gesund, danke!", „Heiliger Judas Thaddäus, hilf uns bitte. In unserer Familie herrschen nur Streit und Unfrieden, bitte Gott für uns alle, dass es wieder besser wird!", „Heiliger Judas Thaddäus, hier bin ich wieder, wie jedes Jahr im Oktober. Du hilfst mir, mein Leben zu leben. Bin jetzt 81 Jahre und möchte noch oft zu Dir kommen, um für Deinen Beistand zu beten."

Im Fürbitten-Buch in der Gnadenkapelle der Heisterbacherrotter Wallfahrtskirche schreiben sich besonders in dieser Woche viele Menschen ihre Sorgen von der Seele. Noch bis Sonntag strömen Pilger in das Gotteshaus zur Wallfahrtsoktav. Sie erbitten Beistand und Trost vom heiligen Judas Thaddäus: sei es vor einer Operation, in Trauer um einen Angehörigen, bei Krankheit oder Sinnsuche. Das dicke Buch - mehrere vollgeschriebene Bände aus vorherigen Jahren lagern im Pfarrarchiv - ist vergangenen Winter in der Kapelle ausgelegt worden und seither verging keine Woche ohne Eintrag. Draußen wehen Fahnen, ein Lichtermeer flackert in der Kapelle und die Kirche ist voll an diesem Vormittag, die erste von zwei Eucharistiefeiern des Tages neigt sich dem Ende zu. In den Bänken sitzen neben Bus- und Fußpilgern aus Wachtberg-Berkum, Schwarzrheindorf, Mechernich und Bedburg auch 38 ältere Damen aus Euskirchen-Lommersum. Nach dem Schlusssegen von Pastor Udo Maria Schiffers steuern sie den Mittagstisch in Haus Schlesien an. Früher kehrten viele Wallfahrer nach der Messe im Pfarrheim ein, wo Helferinnen sie mit Kaffee und Kuchen bewirteten, doch das Gebäude an der Oelbergstraße hat die Kirchengemeinde bekanntlich verkaufen müssen.

 Als zweiter Wallfahrts-Programmpunkt steht für die Seniorinnen um 13.30 Uhr die Pilgerandacht auf dem Programm. Auf dem Nachhauseweg wird noch eine Einkehr in einem Café gemacht. Elisabeth Wördehoff (69) wallfahrtet erst seit vier Jahren, doch einige ihrer Freundinnen aus Lommersum „kommen schon seit 30, 40 Jahren", weiß die Pilgerin. Wie das Rentnerehepaar aus Ittenbach: „Seit unserer Jugend", berichten die beiden Katholiken, besuchen sie die Gottesdienste zur Oktav. Sie baten den Apostel schon um seinen Beistand beim Examen, wenden sich bis heute vertrauensvoll an ihn.

Alljährlich zieht die Oktav hunderte Gläubige an, darunter viele Stammpilger. 2006 registrierte das Wallfahrtsbüro 2 135 Teilnehmer. Damit sind aber noch nicht die „Privatpilger" erfasst, sondern nur die Gruppen, die sich bei Wallfahrtssekretärin Brigitte Meurer zu den Messen und Andachten angemeldet haben. Meurer kümmert sich seit elf Jahren um die Wallfahrtsorganisation. Im Sommer verschickte sie rund 500 Einladungen zur Oktav an Pfarren und Busunternehmen der Region zwischen Köln und Aachen, Eifel und Westerwald.

Diesmal hat die gastgebende Heisterbacherrotter Kirchengemeinde sich ein Souvenir ausgedacht, das besonderen Anklang findet: ein kleines Medaillon aus Aluminium mit dem Bild des heiligen Judas Thaddäus auf der einen und dem Bild des heiligen Joseph mit Jesuskind auf der Kehrseite. Die Hälfte der 1 200 georderten Exemplare ist schon verkauft, das Stück zu einem Euro. Die Menschen bestellen im Wallfahrtsbüro zudem Messen in ihren besonderen Intentionen für das ganze Jahr, manche erzählen von ihren Anliegen. Kolleginnen aus den Pfarrbüros Thomasberg und Ittenbach sind gekommen, um Meurer in dem Trubel zu unterstützen.
Zwei Eucharistiefeiern und eine Andacht täglich bedeuten auch verstärkte Anforderungen ans Priesterpersonal: Pastor Udo Maria Schiffers hat dabei Pastor Clemens Otten und Kreisdechant Guido Assmann aus Neuss an der Seite, zudem helfen die Pfarrer im Ruhestand Paul Woelki und Georg Kalckert aus. Junge Leute werden in der Oktav kaum gesichtet. Schiffers nimmt das gelassen: „Die Messfeiern sind tagsüber, außer den Rentnern haben da die wenigsten Zeit", weiß er um die Zwänge Berufstätiger.

Die Geschäfte im Umkreis der Kirche dürfen sich über Umsatzsteigerungen an den Wallfahrtstagen freuen: Im Stehcafé wird der eine oder andere Kaffee getrunken, im Supermarkt Mitbringsel oder Süßigkeiten erstanden. Die Nachfrage nach
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Drei Mal täglich volle Bänke: Die Heisterbacherrotter Kirche wird während der Wallfahrtsoktav rege frequentiert

Devotionalien ist allerdings bei weitem nicht mehr so groß wie noch vor 20 Jahren, als Wolfgang Steffes den örtlichen Spar-Laden übernahm. Bis heute vertreibt er jedoch eigens angefertigte Kerzen mit dem aufgedruckten Bild des Heiligen sowie Kreuze und kleine Weihwasserkessel. Insgesamt sei die Nachfrage nach diesen Artikeln aber doch rückläufig, sagt Steffes.

Die Kirchengemeinde wird durch das Patronatsfest des Heiligen am Sonntag zum Abschluss der Oktav noch einmal besonders eingebunden. Der Festgottesdienst beginnt am Sonntag schon um 9 Uhr, anschließend zieht eine Prozession durch die Gemeinde.

DIE WALLFAHRT
Das Gnadenbild des Apostels, an den alle Pilger ihre Bitten richten, wurde 1895 von Niederdollendorf nach Heisterbacherrott gebracht und 1911 durch eine Reliquie des Heiligen ergänzt. Die Wallfahrt hat ihren Ursprung im Jahr 1921, als eine Dame aus Godesberg aus Dank für die Genesung von einer doppelten Lungenentzündung hierher pilgerte und sich immer mehr Bekannte ihren monatlichen Gängen anschlossen. Seitdem stieg die Besucherzahl ständig an, und erlebte besonders unter Pastor Paul Woelki und der langjährigen Pfarrsekretärin Marlies Schild einen neuen Aufschwung. Für die meisten Pilger hat die Fahrt nach Heisterbacherrott eine lange Tradition. Der heilige Judas Thaddäus gilt als Fürsprecher in schwierigen Anliegen.  lan

Quelle: General-Anzeiger vom 26.10.2007